Rede Stefan Quandt 2025
Rede Stefan Quandt 2025

Wie können wir resilienter werden?

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

die Welt ist augenscheinlich aus den Fugen. Vielleicht geht es Ihnen ähnlich wie mir: Der morgendliche Blick auf das Smartphone folgt nicht mehr der Haltung “Was gibt’s Neues?”, sondern eher einer Haltung des „Was ist nun schon wieder passiert?“. Die FAZ konstatierte dazu jüngst in einem Leitartikel:

"Die Welt droht in Blöcke zu zerfallen, die gegen- statt miteinander arbeiten."

"Auge um Auge, Zoll um Zoll“ – auf diese archaische Formel könnte man die Lage der Weltwirtschaft derzeit bringen. Bei vielen Akteuren in Wirtschaft und Politik sehen wir daher Überlegungen, wie sich Abhängigkeiten und Verwundbarkeiten verringern lassen. Einige Stichworte dazu sind Ihnen bestens bekannt: Reshoring, Decoupling und Local for local.

Vielleicht sollten wir in Deutschland und auch in Europa jedoch nicht allzu seismographisch auf alle Eruptionen, Drohungen und Ankündigungen aus den USA reagieren. Zumal eine geordnete Reaktion ohnehin nur schwer möglich ist, wenn die einzige Kontinuität die Diskontinuität zu sein scheint.

Die ehemalige deutsche Botschafterin in den USA, Emily Haber, hat über die aktuelle Weltlage kürzlich in einem Interview gesagt:

"In einer solchen Situation von Chaos und Unsicherheit ist man gut beraten,  sich auf das zu konzentrieren, was man kontrollieren kann."

Ich halte dies für einen guten Rat und empfehle uns eine besonnene strategische Fokussierung auf das, was unser Land jetzt in besonderer Weise benötigt und woran wir vor allem selbst arbeiten können. Dazu zählen in meinen Augen:

  • Sicherheit bzw. Verteidigungsfähigkeit,
  • Wirtschaftliche Attraktivität,
  • Innovationsfähigkeit,
  • und gesellschaftlicher Zusammenhalt.

Alt-Bundespräsident Joachim Gauck hat sich kürzlich in einem Interview besorgt über die „mentale Schwäche Deutschlands“ geäußert und eine „neue Ernsthaftigkeit“ in unserem Land gefordert.

Im Sinne Churchills, der mitten im 2. Weltkrieg sagte,

"Never let a good crisis go to waste”,

sollten wir daher die Chance der aktuellen Krise ergreifen und mit der vom Alt-Bundespräsidenten eingeforderten „neuen Ernsthaftigkeit“ die Lage der Welt beurteilen.

Eine solch ernsthafte Analyse wird meines Ermessens ergeben, dass es angesichts der globalen Herausforderungen durchaus Felder gibt, in denen es notwendig und mit erhöhter und kollektiver Anstrengung auch realistisch ist, eine größere Resilienz zu erreichen, als wir sie derzeit vorfinden. Und bei diesen Themen sollten wir keine Zeit verlieren und uns dringend an die Arbeit machen!

Aber es gibt auch Felder, in denen – ungeachtet politischen Wunschdenkens! – bestehende Abhängigkeiten realistisch betrachtet nicht aus eigener Kraft, nicht in absehbaren Zeiträumen oder nicht nennenswert verringert werden können. Und dass ganzheitlich betrachtet weder für Deutschland noch für Europa die Möglichkeit einer umfassenden Unabhängigkeit, Eigenständigkeit oder gar Autarkie besteht.

Aber lassen Sie mich zunächst zu den Handlungsfeldern kommen, in denen wir meiner Meinung nach eine hohe Resilienz erreichen können und auch müssen, oder glücklicherweise bereits über sie verfügen.

Geostrategische Resilienz

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, aber auch die Rede des Vizepräsidenten Vance im Februar bei der Münchener Sicherheitskonferenz markieren die geostrategische Ausgangslage, mit der wir uns heute konfrontiert sehen. Bundespräsident Steinmeier hat diese Situation in seiner Rede zum 8. Mai – dem achtzigsten Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs – prägnant als „doppelten Epochenbruch“ gekennzeichnet.

Es wird Sie daher nicht überraschen, dass ich in der Verteidigungsfähigkeit unseres Landes die notwendige Voraussetzung für eine geostrategische Resilienz sehe. Vor gut einem Jahr hat Verteidigungsminister Pistorius den Begriff der “Kriegstüchtigkeit” in die Debatte eingeführt und dafür viel Zuspruch, aber auch Kritik erhalten. Ich möchte mich heute Abend in dieser Frage sehr klar positionieren: Den Zuspruch teile ich, die Kritik empfinde ich als naiv.

Denn wir können doch nicht die Augen davor verschließen, dass auf unserem Kontinent ein Angriffskrieg geführt wird. Und auch nicht davor, dass die Nato zwar 32 Länder umfasst, sich aber alle Europäer in der Vergangenheit vor allem auf die Schutzmacht der USA verlassen haben – und darunter Deutschland sicher noch mehr als zum Beispiel die Atommächte Frankreich und Großbritannien.

Daher ist die seit vielen Jahren vorgetragene Forderung der USA, dass die Europäer einen größeren Beitrag zu ihrer Verteidigungsfähigkeit leisten müssen, vielleicht der einzige Punkt, an dem ich der aktuellen Administration, wenn auch nicht in der Form, so doch im Inhalt zustimmen würde. Es ist also an der Zeit, die Führungsrollen im Bündnis neu und auf mehrere Schultern zu verteilen.

Vor diesem Hintergrund steht auch die Frage im Raum, die der Politikwissenschaftler Elliott Cohen, Dean der Johns Hopkins University, jüngst in einem Interview mit dem Handelsblatt wie folgt formulierte:

"Ist Deutschland bereit, zu führen? Das ist jetzt die Frage. Ihr hattet euren Urlaub von der Geschichte. Er ist vorbei."

Ja, angesichts der neuen geostrategischen Lage ist achtzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs unser langer „Urlaub von der Geschichte“ wohl tatsächlich vorbei. Auf der Suche nach Führung richten sich die Blicke somit auch auf Deutschland. Und als Teil einer Antwort wurde durch die Lockerung der Schuldenbremse ein Sondervermögen für Verteidigung ermöglicht und damit eine wichtige Weiche gestellt, die unsere Bündnispartner aufmerksam registriert haben. Sie weckt aber auch die Erwartung, dass weitere politische Schritte folgen.

Folglich wird die Diskussion über die Sicherheit unseres Landes nicht mehr ausschließlich in verteidigungspolitischen Fachzirkeln geführt, sondern erhält eine gesamtgesellschaftliche Dimension. So hat sich die Wahrnehmung von modernen Sicherheitstechnologien und auch der traditionellen Rüstungsindustrie in der Gesellschaft verschoben: Die Sicherung unseres Landes wird zunehmend als soziale Verantwortung betrachtet. Dieses wachsende Bewusstsein in der Bevölkerung ist eine gute Voraussetzung dafür, dass Deutschland die politische Kraft aufbringt, die Erwartungen seiner Partner zu erfüllen.

Gesellschaftliche Resilienz

Ein weiterer Bereich, in dem Europa zwingend größere Anstrengungen in Richtung größerer Eigenständigkeit unternehmen muss, ist die Gesundheitsversorgung. Die Corona-Pandemie hat uns die gefährliche Abhängigkeit deutlich vor Augen geführt: Es fehlte schon damals an Arzneimitteln, an Beatmungsgeräten, an Masken und Kitteln. Leider sind wir in der Bekämpfung dieser Knappheit in Europa trotz Verabschiedung des „Critical Medicines Act“ im Jahr 2023 bisher nicht entscheidend vorangekommen.

Ganz im Gegenteil: Kürzlich sorgte eine Meldung des Pharma-Unternehmens Xellia für Aufsehen. Das dänische Unternehmen ist der letzte europäische Hersteller von wichtigen Inhaltsstoffen für Antibiotika. Xellia gab nun seinen Rückzug aus Europa und die Verlagerung großer Produktionskapazitäten nach China bekannt – rein betriebswirtschaftliche Erwägungen lassen ihm keine Wahl. Der CEO von Xellia, Michael Kocher, hat gegenüber der Financial Times deutliche Worte gefunden:

“We are discussing so much about re-shoring. I think it’s just as important to make sure that what we have in Europe stays in Europe.”

Seine Botschaft ist, dass der Erhalt des Pharmastandorts Europa nicht ohne staatliche Unterstützung und steuerliche Formen der Förderung zu erreichen ist. Doch Prävention und Versorgung mit lebenswichtigen Medikamenten – die gesundheitliche Resilienz unseres Gemeinwesens – sollten uns diesen Preis allemal wert sein. Es sollte nicht dazu kommen, dass sowohl Deutschland als ehemalige Apotheke der Welt sowie unsere europäischen Nachbarn in naher Zukunft zu einhundert Prozent auf pharmazeutische Wirkstoffe aus China und Indien angewiesen sind!

Politische Resilienz

Zum Glück gibt es auch Bereiche, in denen Deutschland im internationalen Vergleich bereits eine sehr wettbewerbsfähige Position innehat: Einer davon ist die politische Resilienz in Form einer großen Stabilität der rechtsstaatlichen Institutionen, die auch in Krisen handlungsfähig bleiben können. Als oberste Instanz ist das deutsche Bundesverfassungsgericht aufgrund der Berufungsmechanismen bezüglich seiner Zusammensetzung und Unabhängigkeit ohnehin über jeden Verdacht der politischen Parteilichkeit erhaben. Und auch im Bundestag wurde jüngst am Tag der Kanzlerwahl der Beweis erbracht, dass die parlamentarischen Prozesse in Deutschland fraktionsübergreifend funktionieren, wenn es „hart auf hart“ kommt.

Damit hat der Bundestag ein wichtiges Signal der Verantwortungsübernahme und Handlungsfähigkeit in die Gesellschaft gesendet. Um dieses Vertrauen weiter zu stärken, sind nun durchgreifende Maßnahmen notwendig, die die Überdehnung und Übergriffigkeit des Staates im Alltag der Bürger auf ein gesundes Maß zurückdrehen.

In diesem Zusammenhang werden Sie sich erinnern, liebe Gäste, dass im letzten Jahr die überbordende Bürokratie ein Thema vieler der von uns prämierten Beiträge war. Dies zieht sich leider erneut mit teils haarsträubenden Geschichten auch durch die Beiträge unserer diesjährigen Preisträger.

Die Digitalisierung und Staatsmodernisierung, die von der neuen Bundesregierung jetzt mit einem eigenen Ministerium unter der Leitung von Karsten Wildberger in Angriff genommen wird, muss daher ein Erfolg werden! Denn sie hat das Potential, einen großen Beitrag zur politischen Resilienz der Gesellschaft zu leisten: Wenn das Vertrauen der Bürger in den Staat und seine Handlungsfähigkeit wieder zunimmt, wird dies die freiheitlich-demokratische Verfasstheit seiner Gesellschaft und damit den Standort Deutschland nachhaltig stärken.

Wirtschaftliche Resilienz

Wenn wir uns nach der Frage der Verteidigungsfähigkeit, der Robustheit des Gesundheitswesens und der politischen Stabilität nun der allgemeinen Widerstandskraft der europäischen Wirtschaft zuwenden, kann man zunächst feststellen, dass sie sich im Schatten des fürchterlichen Krieges in der Ukraine seit 2022 sehr robust entwickelt hat. Aber jüngst sind es heute vor allem die Handelspolitik und Zollstreitigkeiten, die den Unternehmen zunehmend Kopfzerbrechen bereiten und für alle Industrien Fragen zu stabilen Lieferketten, verlässlichen Produktionsstätten und regionalem Sourcing auf die strategische Agenda setzen.

Was in der teils heftigen Diskussion über die erratischen Ankündigungen, Maßnahmen und Forderungen der USA zu Zöllen, Produktionsstätten und Lieferbeziehungen allerdings häufig vergessen wird: Auch der europäische Wirtschaftsraum ist kein Musterbeispiel für Freihandel. Unser Durchschnittszollsatz lag bisher bei 5,1 Prozent gegenüber 3,3 Prozent in den USA. Große Treiber sind dabei die seit Jahrzehnten hohen Agrarzölle, um die europäische Landwirtschaft zu schützen. Ein problematischer Baustein, der die aktuellen Verhandlungen mit den USA extrem erschwert.

Selbst bei dem Vorwurf der Abschottung einzelner Industrien durch sogenannte “Strafzölle” sitzt die EU im Glashaus – ich erinnere an den einseitig erhobenen Zollaufschlag von bis zu 45 Prozent für in China gefertigte Elektro-Fahrzeuge. Zum Zeitpunkt der Ankündigung betrug der Anteil chinesischer Hersteller am europäischen Markt für Elektrofahrzeuge nur rund zehn Prozent, auf den Gesamtmarkt bezogen sogar nur rund drei Prozent.

Ich glaube daher, dass auch Europa – wie alle Parteien – bei den aktuellen Zoll- und Handelsstreitigkeiten vor der eigenen Tür kehren und bei den laufenden Verhandlungen Flexibilität an den Tag legen muss. Denn Deutschlands und Europas Wirtschaft wird nur dann eine nachhaltige Resilienz erreichen, wenn Waren sich frei und ungehindert aus Europa heraus, aber auch nach Europa hinein bewegen können, weil nur so gegenseitige Abhängigkeiten entstehen.

Technologische Resilienz

Um in diesen globalen Warenströmen auch in Zukunft eine relevante Rolle zu spielen, ist es aber für deutsche und europäische Unternehmen zwingend erforderlich, attraktive Produkte und Dienstleistungen anbieten können. Statt über Zölle nachzudenken, sollten wir daher beim Blick auf den internationalen Wettbewerb mit etwas mehr Selbstkritik auf die wahren Gründe potentieller “Bedrohungen” schauen.

So wetteifern in China im Bereich der Elektromobilität aktuell über 50 chinesische Fahrzeughersteller mit 110 Marken miteinander – nahezu allesamt gegründet von engagierten Unternehmerinnen und Unternehmern, nicht etwa von der Kommunistischen Partei. Natürlich haben auch staatliche Subventionen bei der Entwicklung dieser Industrie eine Rolle gespielt. Aber wer meint, wir könnten den Innovationsdrang und die Visionen dieser hungrigen Wettbewerber mit tarifären Handelshemmnissen und Protektionismus nachhaltig einhegen, befindet sich klar auf dem Holzweg – sei es in den USA oder eben auch in der EU.

Vielmehr sollten wir unsere eigene Innovationsfähigkeit stärken. Und der dafür wünschenswerte Erhalt von forschungsbasierter Industrie ist zwangsläufig mit dem Erhalt der universitären Forschung selbst verknüpft. Hier bieten sich durchaus große Chancen: Denn während in Deutschland die Wissenschaftsfreiheit grundgesetzlich geschützt und eng mit der Unabhängigkeit der Universitäten und Forschungsinstitute verbunden ist, wird in den USA der Versuch einer Entkernung und Gleichschaltung staatlicher und sogar privater Universitäten mit einer Geschwindigkeit und Härte vorangetrieben, die besorgniserregend ist.

Aber vielleicht bietet sich dadurch die Möglichkeit für Deutschland, führende und vielleicht auch unternehmerischer denkende Wissenschaftler für unsere Forschungsinstitutionen zu gewinnen, die sich in den USA in Ihrer Arbeit eingeschränkt sehen oder sogar nicht mehr sicher fühlen.

Um nicht missverstanden zu werden: Aus vielen Gründen würde ich mir in diesem – wie auch in vielen anderen Bereichen – eine Kursumkehr der amerikanischen Regierung wünschen! Aber wenn sie ihren Kurs beibehält und es in den USA zu einem “Brain Drain” kommt, dann sollten wir durch aktives Handeln dafür sorgen, daraus eine “Brain Source” für unser Land und für Europa zu machen. Es ist eine Chance, nicht nur die Wissenschaft zu fördern, sondern sie mit noch enger mit Innovationfähigkeit und Unternehmergeist zu verzahnen und damit unsere technologische Resilienz zu stärken.

Rohstoff-Resilienz

Wie Sie sehen, haben Deutschland und Europa durchaus starke Positionen. Aber ich sagte Ihnen eingangs, dass ich nicht an die Möglichkeit einer vollkommenen Unabhängigkeit oder Eigenständigkeit Europas glaube. Ein Grund hierfür ist, dass es eine unterschiedliche Verteilung von natürlichen Ressourcen gibt, und Europa und insbesondere Deutschland diesbezüglich nicht mit Reichtum gesegnet ist. Aber ein weiterer Grund ist auch, dass wir in einigen Wirtschaftszweigen – lassen Sie es mich so formulieren – “den Anschluss verpasst haben”.

Ein Beispiel für die ungleiche Verteilung von natürlichen Rohstoffen sind die derzeit viel zitierten “Seltenen Erden”. China kontrolliert heute zwei Drittel der globalen Produktion dieser wertvollen Mineralien und mehr als 85 Prozent ihrer Verarbeitung. Die Abhängigkeit der westlichen Welt von diesen Mineralien – ohne die es zum Beispiel weder E-Autos und Windräder noch Halbleiter oder Bildschirme gibt – ist eklatant.

Nach Meinung des Draghi-Reports zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der EU, aber auch nach der Ansicht vieler Analysten wäre es daher ein wichtiger Schritt zur Stärkung unserer Rohstoff-Resilienz, wenn die EU und ihre Unternehmen eine abgestimmte Außenwirtschaftspolitik verfolgen würden.

Zum Beispiel gegenüber Australien, in dessen Boden fast das gesamte Periodensystem steckt und das die Verarbeitung der kritischen Mineralien im eigenen Land gemeinsam mit kapitalkräftigen Partnerländern entwickeln möchte. Ich teile die Meinung, dass dies sicher eine Gelegenheit für Europas Unternehmen ist, ihre Lieferketten zu einem gewissen Grad widerstandsfähiger zu gestalten. Aber ein wirkliches Decoupling wird vor dem Hintergrund des Status Quo meines Ermessens kaum zu erreichen sein.

Ein weiterer Wirtschaftsbereich, in dem wir kaum aufholen können, ist die Solarindustrie. Chinesische Firmen beherrschen mittlerweile den Weltmarkt – vom Ziehen des Siliziums über die Zellproduktion bis hin zum fertigen Modul. Da Skaleneffekte insbesondere bei den extrem kapitalintensiven frühen Wertschöpfungsstufen aber eine entscheidende Rolle spielen, muss man konstatieren, dass das Kostenniveau der chinesischen Hersteller für europäische Firmen nicht zu erreichen sein wird.

Ähnlich ist die Situation bei modernen Batterietechnologien. Auch hier sind die aus der Politik vorgebrachten Wünsche nach europäischer Unabhängigkeit in der marktwirtschaftlichen Realität nicht umzusetzen. Denn nicht nur die Batterien selbst, auch die dafür benötigten Produktionsanlagen kommen mittlerweile aus China. Und da alles mit allem zusammenhängt, ist es kein Zufall, dass ab dem Tag der Ankündigung der EU-Zölle auf chinesische Elektroautos kein chinesischer Wartungsingenieur mehr ein Ausreisevisum für Europa erhalten hat. Das weitere Schicksal des Batteriezellenherstellers Northvolt als gescheiterter europäischer Hoffnungsträger ist hinlänglich bekannt.

Vertrauen

Die wichtigste Währung in der Wirtschaft ist und bleibt – Vertrauen! Dieser Satz mag dem einen oder anderen naiv erscheinen in Zeiten, in denen das Vertrauen in die Fairness und Berechenbarkeit einiger Partner in den aktuellen Handelskonflikten in Teilen verlorengegangen ist. Vor allem die US-Regierung geriert sich als „Systemsprenger“ und hat sich mit dem „Liberation Day“ von der regelbasierten Wirtschaftsordnung distanziert Aber nach Meinung vieler Beobachter steuert das Land auf diesem Kurs in eine selbstgewählte und gefährliche Isolation und die Rechnung, über Zölle Investitionen und Jobs ins Land zu holen, wird angesichts stark vernetzter Wertschöpfungsketten nicht aufgehen – im Gegenteil.

Dies zeigt sich heute schon: Das Private Equity-Unternehmen KKR betonte kürzlich, dass vielmehr Europa derzeit eine Renaissance als „Investment Destination“ erlebt. Und nach der Ansicht von BlackRock-Chef Larry Fink wird Europa von der Unsicherheit profitieren, die Trump mit seiner Wirtschaftspolitik schürt, sofern mit Reformen auf allen Ebenen die Voraussetzungen geschaffen werden. Unterm Strich sehen internationale Investoren also die wirtschaftliche Situation in Europa und nicht zuletzt in Deutschland optimistischer als wir selbst dies tun – vorausgesetzt, wir gehen die vorgenannten großen Themen auch tatsächlich an.

Wenn nun aber andere Vertrauen und auch Zutrauen in uns haben, sollten dann nicht auch wir wieder mehr Vertrauen in unsere Stärken und Zutrauen in unseren Gestaltungswillen entwickeln?

Dafür kommt es in erster Linie auf Menschen an. Der Ruf nach Resilienz bleibt ohne Wirkung, wenn es nicht Menschen gibt, die auf sich vertrauen und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes als eine persönliche Aufgabe und Herausforderung betrachten:

  • Das können Politikerinnen und Politiker sein, die entschlossen auf Krisen reagieren, Ankündigungen umsetzen und Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit schaffen;
  • Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit ihren Forschungen am Standort Deutschland „Neues“ entdecken und so den Grundstein für Fortschritt, Innovation und Startup-Ausgründungen legen;
  • Unternehmerinnen und Unternehmer, die mit Forschung, Entwicklung und Innovation für die Welt unverzichtbare Produkte schaffen;
  • oder auch Journalistinnen und Journalisten, die uns als in der Verantwortung Stehenden das Gelingen und auch das Misslingen unserer Vorhaben immer wieder mit professionellem Blick und Sachverstand, aber ohne Schmeichelei und Häme vor Augen halten.

Als Jury glauben wir, einige dieser Talente identifiziert und heute bei uns zu haben!